DEUTSCH

Die Bedeutung von Umweltfaktoren in der medizinischen Rehabilitation zur Förderung der Teilhabe

Die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) der WHO (2001) sowie das ihr zugrundeliegende Modell der Funktionsfähigkeit und Behinderung spielen für die Rehabilitation eine bedeutende Rolle (Stucki & Melvin 2007). Das Modell basiert auf einem interaktiven Verständnis von Funktionsfähigkeit, deren Wiederherstellung bzw. Optimierung das Ziel medizinischer Rehabilitation darstellt (Meyer et al. 2011), und es bietet eine wesentliche Grundlage für die Ableitung interventioneller Ansatzpunkte.

Im ersten Paragraph des neunten Sozialgesetzbuches ist – neben der Selbstbestimmung – die Förderung der Teilhabe als übergeordnetes Ziel der Rehabilitation beschrieben. Zur Teilhabeförderung setzen Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation traditionellerweise an Gesundheitsstörungen, Körperfunktionen, teilweise den Aktivitäten und personalen Faktoren an. Die ICF legt jedoch nahe, eine Verbesserung der Funktionsfähigkeit und Teilhabe auch über den Einbezug und/oder eine Veränderung von Umweltfaktoren zu erreichen, d.h. im Umfeld von Personen Barrieren zu reduzieren und/oder Förderfaktoren zu schaffen. Denn auf der Grundlage des Modells resultiert eine erfolgreiche Teilhabe aus der Wechselwirkung zwischen den funktionellen Beeinträchtigungen einer Person, ihren persönlichen Eigenschaften und Merkmalen ihrer Umwelt. Demzufolge ist auch die Verfolgung des Rehabilitationsziels erst durch die gemeinsame Beachtung von Umweltfaktoren und personalen Faktoren sowie den spezifischen Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit sinnvoll.

Gegenwärtig werden Umweltfaktoren in der medizinischen Rehabilitation eher implizit und in eingeschränktem Umfang berücksichtigt. Es fehlt eine systematische Erfassung aller für die medizinische Rehabilitation relevanten Umweltfaktoren sowie eine Bewertung hinsichtlich ihrer Bedeutung und Umsetzbarkeit vor dem Hintergrund der spezifischen Bedingungen des deutschen Rehabilitationswesens. Um diese Forschungslücke zu schließen, haben wir mit dem Projekt UfaR die Bedeutung von Umweltfaktoren als Ansatzpunkt für Interventionen zur Förderung von Teilhabe im deutschen System der medizinischen Rehabilitation untersucht.

Das Projekt UfaR ist in mehrere Arbeitspakte untergliedert. Zunächst wird eine Dokumentenanalyse durchgeführt. Dafür werden rehabilitationsrelevante Datenquellen identifiziert (ICF-Core Sets, Klassifikationssysteme Therapeutischer Leistungen, medizinische Leitlinien sowie der MBOR[1]-Leitfaden der Deutschen Rentenversicherung Bund) und auf umweltfaktorbezogene Aspekte hin untersucht. Dabei werden Dokumente aus folgenden acht Indikationsgebieten berücksichtigt: Orthopädie, Rheumatologie, Onkologie, Psychosomatik, Kardiologie, Neurologie, Stoffwechselerkrankungen und Pneumologie. In einem weiteren Schritt erfolgt eine Zuordnung der herausgearbeiteten Umweltfaktoren resp. umweltfaktorbezogenen Aspekten zu den Umweltfaktorkodes der ICF. Dies erfolgt angelehnt an ein Linkage-Verfahren nach Cieza et al. (2005) und ermöglicht einen weitreichenden Überblick über die derzeitige Berücksichtigung von Umweltfaktoren in rehabilitationsrelevanten Dokumenten. Die Ergebnisse dieses ersten Arbeitspaketes der Dokumentenanalyse werden in einem Workshop mit ExpertInnen (aus den Bereichen Wissenschaft, Leistungsträger und Leistungserbringer) diskutiert und vervollständigt. Um die Praxis-Perspektive zu ergänzen, wird anschließend in acht Gruppendiskussionen mit MitarbeiterInnen in Rehabilitationseinrichtungen der eingeschlossenen Indikationsgebiete erfasst, inwieweit bzw. in welcher Form die zusammengestellten Ansatzpunkte für Interventionen unter den Bedingungen des deutschen medizinischen Rehabilitationssystems aus Sicht der Teilnehmenden umgesetzt werden können und welche weiteren Umweltfaktoren für die Rehabilitation von Relevanz sind. In zwei weiteren abschließenden Experten-Workshops werden sowohl allgemeine als auch indikationsspezifische Handlungsempfehlungen zur Integration ausgewählter Umweltfaktoren sowie zur Implementation umweltfaktorbezogener Interventionen in die medizinische Rehabilitation mit dem Ziel abgeleitet, die Förderung von Teilhabe zu verbessern. Die Ergebnisse aller Arbeitspakete werden vom Projektteam zusammengeführt.


[1] MBOR: Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation

Kleineke, V.; Menzel-Begemann, A.; Wild, B.; Meyer, T. (2017). Die Bedeutung von Umweltfaktoren in der medizinischen Rehabilitation zur Förderung von Teilhabe. Lemgo: Jacobs.

 

Projektleitung


Prof. Dr. rer. nat. Anke Menzel-Begemann
Fachbereich Gesundheit
Hüfferstraße 27, 48149 Münster, Room: B 314
Tel:
0251 83-65828

menzel-begemannfh-muensterde



Prof. Dr. Thorsten Meyer (MH Hannover)

Mitarbeiter


  • MPH Vera Kleineke

Projektzeitraum:


September 2014 - Juni 2017

Finanzierung


  • Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften (GfR) NRW e.V.
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