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„Die Gefährdung der Gesundheit ist wissenschaftlich belegt“

Bei den Steinfurter Campus-Dialogen an der FH Münster stand die Schadstoffdebatte rund um Dieselmotoren im Mittelpunkt


Münster/Steinfurt (16. Mai 2019). „Das war keine harmlose ‚Schummelei‘ der Autokonzerne, das war Betrug – zu Lasten von Umwelt und Gesundheit.“ Mit diesen klaren Worten hat Prof. Dr. Isabelle Franzen-Reuter von der FH Münster gestern bei den Steinfurter Campus-Dialogen die in den vergangenen Jahren aufgedeckten Manipulationen an Diesel-Abgasanlagen eingeordnet.

„Technologisch wäre es möglich gewesen, die Fahrzeuge so auszustatten, dass die Grenzwerte eingehalten werden können. Als Ingenieur finde ich es besonders schade, dass aus Kosten- und Marketinggründen andere Entscheidungen getroffen wurden“, ergänzte Prof. Dr. Florian Altendorfner. Die beiden Wissenschaftler des Fachbereichs Energie – Gebäude – Umwelt gaben den zahlreich erschienenen Besuchern Einblicke in die Hintergründe der Schadstoffdebatte, die derzeit rund um Dieselfahrzeuge geführt wird.

Warum saubere Luft und dementsprechend die Einhaltung der Schadstoff-Grenzwerte so wichtig ist, verdeutlichte Franzen-Reuter: „Feinstaub und Stickstoffoxide können eine erhebliche Wirkung auf den menschlichen Körper haben, zum Beispiel Erkrankungen der Lunge oder des Herzkreislaufsystems auslösen“, so die Immissionsschutzexpertin. „Natürlich fällt keiner tot um, weil er mal neben einem Diesel-Pkw steht. Aber dass Immissionen, die durch den Straßenverkehr entstehen, die Gesundheit der Menschen gefährden, ist durch eine Vielzahl von wissenschaftlichen Untersuchungen belegt.“ Deshalb könne sie nicht nachvollziehen, dass Anfang des Jahres eine Gruppe von Lungenfachärzten in einem Positionspapier die Gesundheitsgefahr der von Autos ausgestoßenen Stickoxide angezweifelt habe.

„Die Höhe der Grenzwerte der Außenluft werden nach wissenschaftlichen Standards festgelegt und sollen auch sensible Personengruppen wie Kleinkinder, Schwangere oder Personen mit Vorerkrankungen schützen“, erläuterte sie. Da es sich um eine EU-Richtlinie handelt, drohen Deutschland Strafzahlungen, falls die Grenzwerte für Stickstoffdioxid – wie aktuell in einigen deutschen Ballungsräumen – nicht eingehalten werden. „Daraus resultiert der Aktionismus, der gerade in einigen Städten herrscht, zum Beispiel Diesel-Fahrverbote für bestimmte Straßen. Besser wäre eine bundesweite Strategie zur Luftreinhaltung.“

Warum stehen ausgerechnet Dieselfahrzeuge im Mittelpunkt der Schadstoff-Diskussionen? Diesem Thema ging Emissionsexperte Altendorfner auf den Grund. Zunächst zeigte er die historische Entwicklung des Dieselmotors von 1892 bis heute und erläuterte den technischen Aufbau. In Bezug auf die Abgasemissionen wies er auf den entscheidenden Unterschied zwischen Dieselmotor und Ottomotor, der in Benzinern verbaut ist, hin: „Der Ottomotor produziert zwar mehr Schadstoffe, aber diese können zum Großteil durch den gut funktionierenden Drei-Wege-Katalysator umgewandelt werden. Da der Dieselmotor mit Sauerstoffüberschuss arbeitet, kann der Drei-Wege-Kat dort nicht eingesetzt werden. Die Folge ist, dass wesentlich mehr Stickstoffoxide emittiert werden.“

Diese Schadstoffe, unter der Bezeichnung NOx zusammengefasst, seien lange Zeit bei der Weiterentwicklung der Abgasnormen nicht ausreichend beachtet worden. Durch Speicherkatalysatoren und die Zugabe von Harnstoff (AdBlue) kann der Ausstoß an NOx verringert werden. Autohersteller hätten in den vergangenen Jahren begonnen, diese beiden Systeme zu kombinieren, um so die Grenzwerte einzuhalten.

Wie geht es weiter? Was kann der neue, saubere Antrieb der Zukunft sein? Diese komplexe Frage, die vielen Diskussionsteilnehmern nach den beiden Vorträgen unter den Nägeln brannte, konnten die Wissenschaftler nicht abschließend beantworten. E-Mobilität, mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzellen – auch diese Antriebsarten brächten Probleme mit sich, zum Beispiel in Bezug auf Transport und Speicherung. „Jeder Energieträger hat seine Schattenseiten“, bilanzierte Franzen-Reuter.

Um langfristig für weniger Schadstoffe in der Luft zu sorgen, plädierten die Wissenschaftler dafür, auch weitere Emissionsquellen stärker in den Blick zu nehmen, etwa die Luftfahrt und den Schiffsverkehr. „Da gilt momentan das Prinzip: Aus den Augen, aus dem Sinn“, so Altendorfner.

Zum Thema:

Die Veranstaltung war die 13. Ausgabe der Steinfurter Campus-Dialoge. Die von der FH Münster und dem KulturForumSteinfurt initiierte Reihe hat das Ziel, wissenschaftliche Themen anschaulich und allgemein verständlich zu beleuchten. Die Besucher sind eingeladen, Fragen zu stellen und mit den Forschern ins Gespräch zu kommen.




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